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Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Frankfurt Oder Karl Liebknecht Gymnasium

Note, Lehrer, Jahr

2011

Autor / Copyright
Sigrid S. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.09 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 20080







Analyse und Interpretation der Ballade

Der preußische Ikarus – Wolf Biermann

 

In der „Ballade vom preußischen Ikarus“ von Wolf Biermann geht es um das Leid der Bürger der DDR. Die Ballade lässt uns in die Gedanken derer blicken, die es in Erwägung zogen das Land zu verlassen und auch in die Gedanken derer, die es tatsächlich taten. Es befasst sich auch mit den eventuellen Folgen.

Das Lied ist auf drei Strophen aufgebaut, die jeweils aus sechs Versen bestehen. Sie folgen, genau wie der Refrain, dem Reimschema aabccb. Der Refrain besteht aus sechs Versen. Man findet vorwiegend den Hakenstil welcher sich hin und wieder auch mit dem Zeilenstil abwechselt. Die männlichen Kadenzen dominieren und das Metrum ist recht stabil, allerdings sind die meist vierhebigen Verse vereinzelt mit Dreihebigen versetzt.

Die Ballade wird vorwiegend durch die vielfach vorkommenden sprachlichen Bilder gelenkt. Einen starken Einfluss besitzt das Bild des Ikarus, welches hier einerseits als Symbol für Tatendrang und Übermut sowie andererseits auch als Symbol des Versagens fungiert. Ein anderes Symbol welches man im Text vorfinden kann, ist der preußische Adler (Z 5), der für die Staatsmacht steht. Darüber hinaus kann man zahlreiche Metaphern finden, wie zum Beispiel in Zeile 15 in welcher beschrieben wird, dass der „Stacheldraht langsam einwächst“. Dies soll verdeutlichen, dass die Bürger abgeschnitten von jeglichem Kontakt von außerhalb sind. Im Übrigen ist die Wortwahl „Stacheldraht“ hierbei interessant gewählt, da die Grenze der DDR hier mit einem Gefängnis verglichen wird. Auch die Metapher „Inselland“ (Z 19) soll die totale Isolation transparent machen. Weiterhin ist von „bleiernen Wellen“ (Z 20) die Rede. Wenn man dies genauer analysiert so erkennt man ein Oxymoron, da Wasser dafür bekannt ist immer in Bewegung zu sein, wohingegen Blei unbeweglich und starr ist. In Zeile 11 lässt sich ein Parallelismus finden, der verdeutlicht, dass der Adler weder von hier fliehen kann aber auch nicht abstürzen möchte. Die Akkumulation ab Zeile 16 zeigt, dass der Stacheldraht überall hin sticht, besonders in die wichtigsten Organe und Extremitäten, jedoch nicht in das Herz des Bürgers. Durch die Antithetik in Strophe drei, in der ein Ich einem Du gegenüber gestellt wird, wirkt die Zeile eher erzählend und persönlich. Dadurch passt es sehr gut in die Epik, welche ungeachtet dessen mit dramatischen und lyrischen Elementen versetzt ist.

Der lyrische Ich-Erzähler in dieser Ballade wirkt, als spreche er sich alles von der Seele oder jemanden direkt an. Er beklagt den Zustand seines Heimatlandes, zeigt mit dem Finger auf den Staat und lässt in das Leid seiner Mitbürger blicken, ist allerdings nicht gewillt wegzugehen, obwohl er dies sogar befürchtet tun zu müssen.

Schon im Titel wird auf die griechische Mythologie und die Sage von Ikarus und Dädalus verwiesen. In diesem Mythos geht es um einen Vater und seinen Sohn, die beide verbannt wurden. Um zu flüchten erfand der Vater Flügel und brachte sie an beiden an. Er ermahnte Ikarus nicht zu hoch und nicht zu tief zu fliegen, nach einiger Zeit aber packte Ikarus der Übermut  und er flog zu hoch und stürzte ab.

Bereits seit Anfang der ersten Strophe wird die Person des Ikarus als preußischer Vogel in die Ballade hinein interpretiert. Dort hängt er an der Weidendammer Brücke, welche in diesen Zeilen beschrieben wird. Diese Brücke befindet sich an der Grenze Westberlins. Hier sitzt er nun und beobachtet; mehr nicht. Dies ist eigentlich ein untypisches Verhalten, da er doch eigentlich explorieren und fliegen sollte.

 

In der zweiten Strophe geht Biermann mehr auf das Leiden und die Pein in der DDR ein. Die DDR wird als vollkommen isolierte Insel beschrieben, von der niemand fliehen kann, da jeder durch den Stacheldraht, also die Staatsmacht, zurückgehalten wird. Durch diesen Druck der auf die Menschen ausgeübt wird, werden die Menschen sowohl innerlich als auch äußerlich beschränkt und zerstört.

In der dritten Strophe spricht das lyrische Ich mit jemandem, der dem Ganzen entfliehen will. Er macht ihm klar, dass er ruhig gehen könne und er schon viele gesehen hat die flohen. Gleichzeitig erfährt man, dass er sich dieser Person aber auf irgendeine Art und Weise verbunden fühlt und es somit schade fände wenn dieser flieht. Er beschreibt aber ebenso, dass er Angst hat von dem Adler über den Rand getrieben zu werden, also aus der DDR ausgewiesen werde könnte, womit er dann das Schicksal des preußischen Ikarus übernehmen würde - nur ohne dessen Leichtsinnigkeit.

Setzt man dies mit Biermanns Biografie in einen Kontext kommt raus, dass dieser tatsächlich überlegte die DDR zu verlassen, aber dann trotzdem lieber bleiben wollte und daher große Angst vor dem Rauswurf hatte. Dennoch traute er sich zu viel Kritik zu und gab bei allem seine Meinung zum Besten. Er flog zu hoch und sein Übermut wurde ihm zum Verhängnis. Biermann wurde aus der DDR ausgewiesen. In dieser Ballade verarbeitete er sein Leid und das anderer DDR Künstler, Intellektueller und anderer Bürger, die nicht gehen konnten.

Als Sänger, Dichter und Denker übernahm Biermann mit seinen Werken eine Schlüssel- und Katalysatorfunktion in der DDR. Im Großen und Ganzen ist „Der preußische Ikarus“ ein überaus mutiges und außerordentlich gut geschriebenes Lied von einem ehrlichen und vom Leben gezeichneten Menschen.


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